George Steiner (1929 – 2020)

George Steiner ist mit 90 Jahren gestorben. Seine Bücher habe ich mit Gewinn gelesen. Und ihm immer gern zugehört und zugesehen.

Vielleicht ein Anlaß, noch mal etwas nachzulesen.

In der NZZ gibt es ein Gespräch aus dem Jahr 2009 nachzulesen, zu dem man sich mit Briefen verabredete: „Eine gute Lektüre ist ein Dank an den Text“.

Die ZEIT hat 2004 ein Gespräch mit ihm geführt:
„Pessimisten sind lächerlich“.

Und in der interessanten „Sternstunde Philosophie“Reihe des Schweizer Fernsehens hat George Steiner fast eine Stunde lang auch über das Lesen gesprochen:
„Die Schule des Lesens“.

Lesen nach dem Tod: Heino Jaeger

Teil des Buchcovers Heino Jaeger - Man glaubt es nicht - Leben und Werk, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Gestaltung any.way, Hamburg

„Man glaubt es nicht“, daß das Buch bei den Verlagen nicht mehr greifbar ist
(Cover-Gestaltung any.way, Hamburg)

Am 7. Juli 1997 starb der deutsche Maler, Graphiker und Satiriker Heino Jaeger. Daher die heutige Lektüre, “Man glaubt es nicht” von Hans-Joska Pintschovius.*

In meiner Jugend habe ich ihn oft mit seinem Radioratgeber „Fragen Sie Doktor Jaeger“ im NDR gehört – was durchaus ein prägendes Erlebnis war.

Sein Leben war, um es mal euphemistisch auszudrücken, “interessant”. Für mich bedenkenswert ist seine Haltung zur Nachkriegs-Moderne. Nicht einfach – aber genau das macht Heino Jaeger ja zu einem “Zeitgenossen”. Davon zeugt auch Gerd Kroskes Film “Look before you guck” (Besprechung in der FAZ). Den Film gibt es auch auf DVD, mehr Information dazu bei der Harburger Kultur.

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* Das Taschenbuch ist 2007 bei Rowohlt erschienen, das Original 2005 bei kein&aber – und bei den Verlagen nicht mehr erhältlich. O tempora, o mores.

Ehret Jean Paul – indem ihr ihn lest

Vorwort zum Vorwort

Es mag merkwürdig anmuten, daß der Schreiber dieses Beitrags zugleich Gründer und erster Vorsitzender des „G.w.s.d.“ (siehe dazu die Erläuterung) ist.

Erstes Vorwort

(Ein zweites Vorwort ist dann leider doch nicht zustande gekommen)

Hinweise auf Geburtstage in diesem Blog sind immer nur willkommene Anlässe, auf Menschen – und meist mehr noch auf ihr Werk – hinzuweisen.

Glückwunsch

Ich wüßte nicht zu sagen, wem mehr zu gratulieren wäre: Jean Paul (getauft auf den Namen „Johann Paul Friedrich Richter“, aus Bewunderung für Jean-Jacques Rousseau aber nannte er sich eben Jean Paul), dessen 256. Geburtstag man heute feiern könnte. Oder doch den Lesern und Leserinnen, die seine Bücher heute noch lesen können. Und sollten.

Abschweifung

Wer nicht gleich ein Buch nehmen und sich dem Lesen ergeben möchte, der sei auf diese Links verwiesen:

Nachwort

Titelblatt Giannozzo - Hamburger LesehefteDas mehr als umfangreiche Werk könnte einschüchtern und Menschen vom Lesen abhalten. „Womit beginnen?“ würde ich aber mit einem meiner Lieblingstexte beantworten: Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch. Ein überschaubarer Text. Den es online, aber auch in einer sehr einfachen Ausgabe der Hamburger Lesehefte gibt. (ISBN 978-3-87291-140-7, EUR 1,90 !) Und „Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz in Auenthal“, ebenfalls ein guter Einstiegstext.

Worte des Autors

Erste Vorlesung
Wonsiedel – Geburt – Großvater
Geneigteste Freunde und Freundinnen!
Es war im Jahr 1763, wo der Hubertsburger Friede zur Welt kam und gegenwärtiger Professor der Geschichte von sich; – und zwar in dem Monate, wo mit ihm noch die gelbe und graue Bachstelze, das Rotkehlchen, der Kranich, der Rohrammer und mehre Schnepfen und Sumpfvögel anlangten, nämlich im März; – und zwar an dem Monattage, wo, falls Blüten auf seine Wiege zu streuen waren, gerade dazu das Scharbock- oder Löffelkraut und die Zitterpappel in Blüte traten, desgleichen der Ackerehrenpreis oder Hühnerbißdarm, nämlich am 21ten März; – und zwar in der frühesten frischesten Tagzeit, nämlich am Morgen um 1½ Uhr; was aber alles krönt, war, daß der Anfang seines Lebens zugleich der des damaligen Lenzes war.

(Jean Paul: Selberlebensbeschreibung. Fragment, 1818/19 geschrieben, 1826 von Jean Pauls Freund Christian Otto herausgegeben.)

Tägliche Freude – Hotlist-Jahresgabe (014/365)

Das Buch Manapouri liegt auf einem Tisch

Als Unterstützer der Hotlist bekam ich heute die Jahresgabe. Es ist das Reisebuch „Manapouri“ von Marcel Schwob, das im Elfenbein Verlag erschienen ist und das den Preis der Hotlist 2018 erhielt.

Selbst bin ich ja kein großer Freund von Reisen, aber Briefbände und Tagebücher lese ich sehr gern. Und die Jurybegründung macht mich neugierig:

„Marcel Schwobs Briefe einer Seereise nach Samoa zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind Reportage, Kolonialgeschichte, Liebeszeugnis und literarische Pilgerschaft in einem. Der Autor erweist sich als neugieriger Ethnograph und glänzender Essayist in einem zwischen Sachliteratur und Belletristik changierenden, glänzend edierten und ansprechend aufgemachten Buch, das die ‚Welt von gestern‘ wiederbelebt.“

Die Idee der Hotlist ist, „zu zeigen, was die unabhängigen Verlage für den Reichtum, die Qualität und den Erfolg der Buchkultur im deutschsprachigen Raum leisten“. Und das ist allerhand, allein die 2018 eingereichten 161 Bücher bieten ein großartiges Spektrum.

Ambiguitätstoleranzübungen

zwei Werbeteaser nebeneinander, der linke weist auf die emanzipierte Franziska von Reventlow hin, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelebt hatte, der rechte ist eine Werbung für Beautyprodukte

Respekt vor den Contentmanager*innen beim Tagespiegel
Warum habe ich eigentlich in diesem Blog noch nicht über die guten Bücher „Das Pragmatismus-Prinzip“ von Dirk von Gehlen und „Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“ von Thomas Bauer geschrieben? Für mich wird dort auch sehr schön analysiert, warum in unserer Gesellschaft zunehmend aggressiver, unterkomplex und rückwärtsgewand ‚argumentiert‘ wird.
Beide Autoren kommen auch zu dem Schluß, daß wir mehr Ambiguitätstoleranz brauchen. Also damit umgehen lernen, daß nicht alles unterkomplex lösbar ist; oder daß Widersprüche normal sind.
Daher habe ich mir die oben nebeneinander montierten, auf der Webseite des Tagesspiegels in zwei Reihen untereinander stehenden Teaser als Übungscollage gebastelt.
Aber Teaserbalken (nicht nur beim Tagesspiegel) können auch zur Erheiterung beitragen:
<Zwei Werbeanzeigen, links über die dunklen Geheimnisse der britischen Royals, rechts über Liebe, die kein Alter kennt.

Gnadenlos witzisch – Online-Teaser

7. Februar 1935

Heute ist der Geburtstag des Lyrikers Heinz Czechowski. Für den Vorsitzenden von „G.w.s.d“ ist solche Erwähnung natürlich überflüssig. Sie bietet aber doch Anlaß, wieder einmal auf das Werk dieses großartigen Lyrikers und Schriftstellers hinzuweisen.

Bei Grupello sind viele seiner Bücher zu haben. Und als Anregung weise ich auf den schönen Beitrag von Gisela Trahms über Czechowskis Gedicht „Zu Mickel“ hin.

Man kommt nicht mehr zum Schreiben

Cover von Tagebücher Fritz J. Raddatz
Daß die geplante tägliche Reihe „Der Tag des …“ schon erste Lücken zeigt, liegt auch an diesem Buch. Im Moment verschlinge ich die Tagebücher von Fritz J. Raddatz, sodaß wenig Zeit und Lust für anderes bleibt.
Schockierend, wie der Betrieb wohl schon seit Jahrzehnten läuft – vielleicht schon immer lief (wie gern würde ich Tagebücher z.B. des Hartmann von Aue lesen). Und deprimierend, wie das Werk, das ja das Wesentliche sein sollte, zu einer Nichtigkeit verfällt, wenn es doch nur um das Überleben im Betrieb geht. Und die Summe des Lebens fern ab alles Geschaffenen gegen Null tendiert.

Nachruf auf einen Nachruf

Heinz Czechowski ist tot. Hierzulande wurde er viel zu wenig gelesen. Vermutlich wird sich auch in Zukunft, an die er mit Recht nicht glaubte, daran wenig ändern. Was seine Gründe hat. Die aber nicht gegen ihn sprechen.

Wer ein wenig gerade in seinen neueren Texten liest, ((vieles ist in schönen Ausgaben bei Grupello erschienen)) bemerkt schnell seine Heimatlosigkeit, seine schmerzhafte Fremdheit, ob nun in Schöppingen, Limburg, Frankfurt. Daher überlege ich ob Tilman Krauses Satz im WELT-Nachruf

Viele Stipendien ermöglichten dem Autor auch ein vielfältiges Pendeln von einer deutschen Stadt zur nächsten.

nicht etwa ignorant ist; sondern eine Ohrfeige für oder vielmehr gegen den Literaturbetrieb, der diesen großen schwarzen Dichter so geflissentlich ignorierte. (Und man komme mir jetzt nicht mit Preisen.)

Abtauchen zum Lesen

Cover von Unendlicher Spass Seit heute lese ich, die letzten Tage des Urlaubs nutzend, „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace.
Das Einles/lass-Problem, das von manchen in dem sehr interessanten Blog-zum-Buch-Projekt geschildert wurde, hatte ich erfreulicherweise nicht. Vielleicht, weil ich lieber sozialautistisch als partylabernd bin, hat mich bereits der Wahnsinn der ersten “Szene” fasziniert. Wie Hal da sitzt und die Situation für sich sehr genau erfaßt; wie über ihn und mit ihm geredet wird und sich in ihm immer stärker das Wissen um das Scheitern mit einer ausbreitenden Panik verbindet. Für mich großartig geschildert.