Vor 75 Jahren

Blick auf die Anklagebank, unter anderem sitzen dort Goering, Hess, Ribbentrop und Keitel
Blick auf die Anklagebank beim Nürnberger Prozess; ©NARA, Public Domain

Gerade habe ich mich durch Dokumentationen über den Nürnberger Hauptkriegsverbrecher- und über den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozeß geschaut, da sendet der WDR das Zeitzeichen von Martina Meißner zu den Schlussworten der Angeklagten in Nürnberg am 31.08.1946.

Was für mich weiterhin beeindruckend bleibt: Daß die Angeklagten nicht, wie sie es wohl selbst schon erwarteten, einfach hingerichtet wurden, sondern ein Prozeß geführt wurde.

Die Urteilsberatung dauerte dann noch einmal vier Wochen. Über die Urteilsverkündung als dem juristischen Schlußpunkt wird in der Wochenschau vom 4. Oktober 1946 berichtet.

Non vitae sed scholae discimus – oder: Ist Sport Krieg?

Screenshot von ARD-Übertragung der Tour de France, ein Moderator im Bild

Historischer Moderationsmoment bei der ARD: „Blut, Schweiß und Tränen“
Wenn ein ARD-Sportmoderator*, der alt genug ist, um in seiner Zeit am Gymnasium etwas über den II. Weltkrieg gelernt zu haben, ein Gespräch über eine Touretappe anmoderiert mit

„Das war für die Fahrer nicht ohne. Wenn man so will: Blut, Schweiß und Tränen“**

dann ist das entweder unwissend, dreist oder wurschtig. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.
………………..
* so Michael Antwerpes (der immerhin Publizistik, Anglistik und Politikwissenschaft studiert hat) am 26.07.2018 im Gespräch mit dem ARD-Doping-Experten Hajo Seppelt über die 18. Etappe (Video ab 0:06, verfügbar bis 28.06.2019)
** Winston Churchill hat diese Worte in einer seiner berühmtesten Reden am 13. Mai 1940 vor dem britischen Unterhaus verwendet und (für meine Generation) geprägt

Ambiguitätstoleranzübungen

zwei Werbeteaser nebeneinander, der linke weist auf die emanzipierte Franziska von Reventlow hin, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelebt hatte, der rechte ist eine Werbung für Beautyprodukte

Respekt vor den Contentmanager*innen beim Tagespiegel
Warum habe ich eigentlich in diesem Blog noch nicht über die guten Bücher „Das Pragmatismus-Prinzip“ von Dirk von Gehlen und „Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“ von Thomas Bauer geschrieben? Für mich wird dort auch sehr schön analysiert, warum in unserer Gesellschaft zunehmend aggressiver, unterkomplex und rückwärtsgewand ‚argumentiert‘ wird.
Beide Autoren kommen auch zu dem Schluß, daß wir mehr Ambiguitätstoleranz brauchen. Also damit umgehen lernen, daß nicht alles unterkomplex lösbar ist; oder daß Widersprüche normal sind.
Daher habe ich mir die oben nebeneinander montierten, auf der Webseite des Tagesspiegels in zwei Reihen untereinander stehenden Teaser als Übungscollage gebastelt.
Aber Teaserbalken (nicht nur beim Tagesspiegel) können auch zur Erheiterung beitragen:
<Zwei Werbeanzeigen, links über die dunklen Geheimnisse der britischen Royals, rechts über Liebe, die kein Alter kennt.

Gnadenlos witzisch – Online-Teaser

An ihren Worten …

Eine Tür mit eingeschlagener Scheibe

Irgendwo habe ich neulich gelesen, daß es zum Handwerkszeug von Journalist*innen gehört, die Bedeutung und Sprachgeschichte von Wörtern zu kennen.
Im Webauftritt eines öffentlich-rechtlichen Senders wurde vor kurzem „eine Stadt gesäubert“, als es darum ging, Müll aufzuheben.
Bei einem anderen wurden jetzt doppelte Postleitzahlen, die durch die Wiedervereinigung auftraten, mit der 5stelligen Postleitzahl „ausgemerzt“.
Von Formulierungen wie „Innerer Reichsparteitag“, „Nacht-und-Nebel-Aktion“ oder „(beliebiger Begriff)-Tsunami“ ganz zu schweigen.
Ich vermute, ich habe das mit dem Handwerkzeug in einem Buch gelesen, das aus der Bibliothek einer öffentlich-rechtlichen Anstalt stammt und als „veraltet“ aus dem Bestand genommen wurde.
Oder ist das gewollt? #woistderaluhut

Ein Volk, ein Ball, ein Spielführer

Deutschlandfahne hängt auf einem Balkon

Uff, und ich dachte schon, ich sei der einzige, der diese ständig auf Anschlag propagandierenden Phrasendrescher im öffentlich-rechtlichen Sportfernsehen für bedenklich hält. Schlimmer als die Verabschiedung vom Journalismus ist aber die übel müffelnde Tendenz zum großen WIR.
Ein gutes „Breitband“-Gespräch bei Deutschlandfunk Kultur mit Jürgen Roth über die Sportjournalisten der Fußball-WM: „Das sind PR-Heinis“.

Iovi, Doofie

Schafe auf einer Weide, schauen zur Kamera

Interessant: Der werktägliche BpB Newsletter beginnt heute mit

Guten Morgen,
 
stell dir vor, der Staat schreibt dir plötzlich vor, jeden Tag mehr zu arbeiten – und das bei gleichbleibendem Lohn. Wer würde da nicht auf die Barrikaden gehen?!
Genau das passierte gestern vor 65 Jahren, am 17. Juni 1953, in der DDR.

Ersetze „Staat“ durch „Unternehmen/Firma/Chef“, was wäre da der Unterschied? Klar, da geht heute niemand mehr auf die Barrikaden. Sondern hört geduldig Sätze wie „Die Arbeitsverdichtung ist doch noch gar nicht angekommen“.

lechts und rinks

Schrift das ist kein braun auf einem braunen Hintergrund

Wieder einmal ein sehr gutes Politisches Feuilleton im Deutschlandfunk Kultur. Tobias Ginsburg plädiert für klare Begrifflichkeiten (Link zur Audiodatei). Ich kann allerdings verstehen, daß Rechtsextreme sich nicht als „Rechtsextreme“ bezeichnen lassen wollen – „Nazis“ klingt eben einfach schmissiger.

Natürlich unterkomplex, aber …


verderber.jpg

„Deutschlands Verderber“ ist natürlich unterkomplex. Auch „Bestie“ würde es wohl nicht richtig treffen. „Verrückter“ sowieso nicht.
Aber da sich auch in Deutschland manche Diskussionen gerade in Richtung „unterunterkomplex“ bewegen, lasse ich das mal so stehen.
Falls jemand noch dem Herrn Schicklgruber jr. seine „Persönlichkeit“ besser einschätzen möchte, empfehle ich auch heute wieder, die

„Analysis of the Personality of Adolph H**ler
With Predictions of His Future Behavior and Suggestions
for Dealing with Him Now and After Germany’s Surrender.“

zu lesen.
Oder die gerade erschienene Neuausgabe von Franz Neumanns „Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933 – 1944.“ Oder. Oder. Oder …