Tag des Hausmeisters

Neulich hörte ich auf OE1 eine interessante Sendung mit dem Philosophen Robert Pfaller über „Glück“. Sehr interessant seine Ausführungen, daß das Leben in den vergangenen 15 Jahren immer trostloser geworden sei. Immer mehr staatliche Gängelung, immer mehr Verzicht auf Genuß und Freude, immer mehr Neid und Mißgunst.

Da paßt dieses kommentierte Flickr-Foto wie Faust auf Auge: Eine entfernt rauchende Gruppe von Jugendlichen wird da als „ekelig“ bezeichnet. Was ist daran ekelig? Der Fotograf oder die Fotografin steht offensichtlich so weit entfernt, daß eher ein umfallender Sack Reis in Gelsenkirchen ihn oder sie belästigt als diese Jugendlichen. Der Nachsatz macht das eigentliche Vergehen deutlich: Die rauchen an einem „verbotenen“ Ort und die Ordnungsmacht in Person der U-Bahn-Aufsicht greift nicht ein. Das muß natürlich enorm verunsichern. Wer sorgt denn noch für Recht und Ordnung (aka law & order)?!? Und wenn das jeder machen würde!?!

Eigentlich weist dieses sich immer weiter ausbreitende „ICH! ICH! ICH!“ aber nur auf eine immer narzistischer werdende Gesellschaft hin, in der der oder die andere grundsätzlich kein Recht hat und nur stört, man selbst aber ebenso grundsätzlich im Recht ist. Dieses Durchsetzen des „eigenen Rechts“ ohne jeden Gedanken eines gesellschaftlichen Miteinanders, gepaart mit einer sich immer deutlicher abzeichnenden Aggressivität, läßt nicht viel Gutes für das gesellschaftliche Klima in den kommenden Jahren hoffen.

Und mehr als den „kommenden Aufstand“ erwarte ich den kommenden Hausmeister.

Tag der besseren Lesbarkeit

Es ist nur ein Beispiel. So etwas gibt es zuhauf, nicht nur im Netz, auch allgemein in den Medien oder in Reden. Was es mir nicht leichter macht, die Fassung zu bewahren.

P.S.2: Der Artikel ist aus Leserlichkeitsgründen nicht gegendert, trotzdem sind selbstverständlich beide Geschlechter gemeint.

Keiner und keine kommt dabei aber auch jemals auf die Idee, Artikel dann konsequent unter Verwendung der weiblichen Form zu schreiben. Warum nicht? So bleibt es dann doch immer schön eine Männerwelt, bei der den Lesefluß nichts stört, aber auch interessante Details wegfallen. Als würden z.B. Facebook-Nutzer und -nutzerinnen bei Facebook die selben Nutzungsverhalten teilen.

Naja. Eh wurscht.

Tag der ungeschriebenen Brief

In meinem Kopf liegen einige ungeschriebene Briefe herum. Zum Teil Antworten auf Mails, zum Teil aber längere „Berichte“. Ähnlich wie bei Mailantworten gilt vermutlich auch bei Briefen: Wenn man sie nicht gleich schreibt, werden sie nie geschrieben. Zumindest immer schwieriger zu schreiben.

Lange dachte ich, es läge an der Schnelligkeit des Mailens, die das Briefeschreiben „unattraktiv“ mache. Wie lang würde es dauern, bis der Brief zu einem Briefkasten getragen und beim Empfänger angekommen wäre. Würde durch die Zeit nicht einiges überholt oder unwichtig, was beim Schreiben noch wichtig erschien.

Und schüchtert gerade heute nicht ein Brief auch ein? Wenn er dann noch auf ausgesuchten Papier und schön geschrieben daher kommt. Andererseits verhindert das Materialisieren von Gedanken auch das Abschicken, wenn sie bestenfalls Postkarten-Niveau erreichen. Eine Mail mit solcher „Nichtigkeit“ ist dagegen schnell „mal eben“ verschickt. Und vermag ja durchaus Freude beim Empfänger auszulösen.

Aber die wirkliche Bremse ist für mich inzwischen die Fixiertheit des Schreibens auf Papier. Ich muß mir erst Gedanken über das Mitzuteilende gemacht haben, den Brief im Kopf oder gar auf Papier vorgeschrieben haben, damit nicht während des Schreibens ein neuer Gedanke oder eine formulierte Sackgasse das bisherige über den Haufen wirft. Bei einer Mail oder einem auf dem Rechner geschriebenen Brief kann ich so etwas durch einfaches Umstellen oder Löschen beheben, ohne daß das Spontane des Schreibens verloren geht. Bei einem vorgeschriebenen Brief kommt mir das Ab-Schreiben des Entwurfs dagegen tot vor. Was sich doch auch beim Lesen bemerkbar machen muß.

Nichtsdestotrotz: Der nächste Brief wird geschrieben.

Tag des ausgeschalteten Handys

Ähnlich wie Twitter oder Facebook vermisse ich mein Handy nicht, wenn ich es einfach mal eine Zeit lang nicht nutze. Regelmäßig im Urlaub. Oder wie jetzt in der Jahresendzeit. Um so absurder wirken dann die Verhaltensweisen der Mitmenschen. Dieses oft nicht mal mit einem „Entschuldigung“ versehene Annehmen eines Anrufs während eines Gesprächs. Schließlich merkt ja tout le monde, daß es geklingelt hat. Und da man selbst ein wichtiger Mensch ist, nimmt man das Gespräch natürlich an.

Ich habe Taxifahrer erlebt, die nicht mal mehr das Telefonat unterbrechen, wenn man sich ins Taxi setzt. Erleben können viele Menschen auch nichts mehr, weil sie das Erlebte gleich wieder reportierend weitergeben. Wenn man nicht gerade das „Ereignis“ per Handy filmt und dabei auf den Sucher und nicht auf das Ereignis schaut.

Wie funktionierte das Leben eigentlich früher? Und welchen Preis muß wer zahlen?

Tag des einen Gesichtsausdrucks

Manche SchauspielerInnen haben f?r jede Situation einen Gesichtsausdruck. Mit der Betonung auf einen.
Fernsehtip heute: „Marie Brand und die letzte Fahrt“.

Tag der hinter das Regal gerutschten CDs

Aus besonderem Anlaß erkläre ich den 3. Januar zum Tag der hinter das Regal gerutschten CDs.

Eine wunderbare 5-CD-Box mit Miles-Davis-CDs ist mir heute hinter ein Regal, das leider fest verbaut ist, gerutscht. So wird mir nichts anderes als der Neuerwerb bleiben. Ein Umzug ist jedenfalls nicht geplant.

Und ich möchte gar nicht wissen, was da sonst noch unbemerkt verschwunden ist …

Tag des ungesehenen Theaterstücks

Leider gab es heute wohl im Kölner Schauspiel eine kurzfristige und nicht angesagte Spielplanänderung. Statt des erwarteten „DAS LEBEN EIN TRAUM (WAS SONST?)“ nach Calderón de la Barca sah ich wieder einmal „VIEL LÄRM UM NICHTS“. Immerhin habe ich so den Anstandsbesuch für dieses Jahr hinter mich gebracht.

Gerade erfahre ich: Es war wohl doch der Calderon. Aber

  • bei den stimmlich mehr als zurückhaltenden und unispirierten Leistungen;
  • die zudem gern einmal von mächtig lärmenden Kettenrasseln übertönt wurden;
  • den gern und oft eingesetzten Popp-Musik-Einlagen;
  • und dem steif-grellen Losagieren, das ich eigentlich schon vor 10 Jahren in Berliner Ernst-Busch-Schulaufführungen auf dem Höhepunkt (der damals einer war) und seitdem als überholt wähnte:

mag man mir die Orientierungslosigkeit bitte verzeihen. Die dann aber nicht so groß war, daß ich nicht doch noch den Ausgang zur ersten Pause gefunden hätte.

Nun könnte ich beim Lesen der zahlreichen lobenden Kritiken und Publikumskommentare auf die Idee kommen, „Theater“ sei nichts für mich. Oder mich gar in tiefste Verzweiflung stürzen, daß ich so weit weg vom Allgemeinen Geschmacksurtheile liege. Aber zum einen gibt es dann doch noch kritische Kritiken (Dank an Vasco Boenisch, der in der SZ am 24.06.2010 vom Mißlingen schrieb) und Kommentare (ganz aktuell dieser der dadasophin); zum anderen immer noch Stücke, in die zu gehen auch für mich ein Vergnügen ist (selbst im Kölner Schauspiel). Doch bis zum nächsten Gang wird es jetzt wohl etwas dauern. Die zwei Stunden verschwendeter Lebenszeit wollen erst einmal kompensiert sein.

Tag des ungehörten Gedichts

Fünf Jahre lang gab es im Deutschlandfunk die Lesung eines einminütigen Gedichts, drei Mal am Tag über ihn verstreut gesendet. Die Reihe nannte sich Lyrikkalender und fand recht guten Anklang. Dazu gab und gibt es den den Lyrikkalender als Wandkalender, der die Gedichte des vergangenen Jahres noch einmal zum Nachlesen vereinte.

Doch am 31.12.2010 war damit Schluß. Programmdirektor Günter Müchler äußerte sich zum Ende der Reihe im Deutschlandfunk, doch für mich nicht sehr einleuchtend. Im Blog der Koblenzer Rhein-Zeitung schreibt der Chefredakteur Christian Lindner dazu einen wie ich finde passenden Beitrag: „Der Deutschlandfunk raubt uns das Gedicht“.

Auch Michael Gratz, dessen großartige „Lyrikzeitung & Poetry News“ heute den 10. Geburtstag feiert, hat dazu schon einen ausführlicheren Kommentar „angedroht„.

Es ist mehr als bedauerlich, daß für eine im Medienalltag kaum noch anzutreffende Gattung wie die Lyrik im Qualitätsprogramm des Deutschlandfunk kein exponierter Platz mehr ist. (Wobei Lyrik natürlich immer noch in Besprechungen wie beim Büchermarkt vorkommt, aber eben nur sekundär.)

So bleibt mir nur der Verweis auf die (beinah) tägliche „Lyrikmail“ und eben die „Lyrikzeitung„. Und natürlich die vielen anderen Blogs und Websites zur Lyrik, die es immer noch gibt.

Neues Jahr – neue Reihe

Zum neuen Jahr starte ich eine neue Reihe mit kurzen Beiträgen, die hoffentlich täglich erscheinen: „Der Tag der / des …“. Natürlich gibt es wohl schon zu jedem möglichen Gegenstand oder Menschen einen „Tag der / des“ – des Menschenrechts, Lesens, Wassers und Butterbrots, Haustiers und Sparschweins oder des Urinals (z.B. in der Wikipedia). Aber vielleicht findet sich immer noch etwas, das der Aufmerksamkeit bedarf?

Diese Dinge oder Anlässe zu finden soll die Idee der Reihe sein.