Ich bin von Kopf bis Fuß

Ein Hit von Hildegard Knef, nicht wahr? Jedenfalls meint das Rudolf Walther in der heutigen FR:

Der Spiegel-Redakteur Gabor Steingart ist, um es in Anlehnung an einen Schlager von Hildegard Knef zu sagen, von Kopf bis Fuß auf Panikmache und Untergangsbeschwörung eingestellt.

Genau. Und „Mama, Du mußt doch nicht ums Feuilleton weinen“ ist von DJ Oetzi.
Mannomannomann…

Unterschichtenmoderation

Henry Vogt und Mathias Arians, die leider alle Champions-League-Spiele des SV Werder für Radio Bremen kommentieren, sollte man mal ihre Moderationen transkribieren lassen. Wenn ihnen dabei nicht übel wird, ist wohl nichts mehr zu retten. Besonders Mathias Arians dürfte wohl beim heutigen taz-Test „In welcher Schicht lebe ich eigentlich?“ (A) ankreuzen:

Sie sprechen eine Mischsprache aus Deutsch mit nichtdeutsch geprägter Verkürzungsgrammatik, denn hey Alter, brauchst du nicht Goethe, versteht man alles auch so. (A).

Wochenschau

Zwei, drei Stunden „Deutsche Wochenschau“das geht nach einem Log-In z.B. beim Wochenschau-Archiv am Stück sehen. Beliebiges aus den Jahren 1939 bis 1945. Gern auch bunt gemischt.
Danach – über Jahre hin – unfähig, ohne Ekel die Worte „Deutschland“ und „Stolz“ in Zusammenhang denken zu können.

It's Showtime, Baby!

Etwas, das mich so unsäglich bei der Streiterei um Emphatiker und Gnostiker im Rezensionsbetrieb anödet, ist die „man muß auch mal Spaß haben dürfen“-Frack:tion.Die mich an das Möllemann’sche „Man muß das doch mal sagen dürfen“ erinnert. Die eigentlich nur meint: Ich will gefälligst auf meinem Nie:wo amüsiert werden.
Weidermanns Verwechslung von Literatur und Autoren-Leben, die vermutlich keine ist, sondern nur dem Verkommen von Literatur zum Event geschuldet,Die 6. lit.cologne war wieder ein unsägliches Beispiel dafür. spiegelt bestens, was Heiden:reichts armutszeugnishaftes BücherbeJAUCHzEn betreibt: Stammeln auf Dutt-Niveau. Oder, wie es Winkels in einer SWR2-Diskussion so schön umschrieb: „Tautologische Rutschbahn“.„Kopf oder Bauch – Die zwei Seiten der Literaturkritik“; Moderation: Burkhard Müller-Ullrich; Gesprächsteilnehmer: René Aguigah – Redakteur der Zeitschrift „Literaturen“; Rainer Moritz – Leiter des Literaturhauses Hamburg; Hubert Winkels – Literaturredakteur beim Deutschlandfunk Köln; als Podcast vom 10.4.2006 noch nachhörbar Wenn Andrea DienerDie ich hier nur exemplarisch zitiere, nicht als Duellantin sehe. meint:

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber Weidermanns Unternehmen, mit Begeisterung an die Sache heranzugehen und Ansteckungsgefahr nicht von vorneherein auszuschließen, ist doch grundsympathisch.

– dann wird von ihr eine antiintellektuelle Haltung an den Tag gelegt, die seit längerem common sense sein dürfte (wobei „sense“ in diesem Falle vermutlich das falsche Wort ist).Daß beim Wettlesen zwischen Weidermann und Greiner ersterer „gewinnt“ (so zitiert Diener aus dem taz-Bericht über die LCB-Veranstaltung), spricht nicht für ihn. Bestenfalls gegen Greiner. Flachsinn, leicht konsumierbar, jede vermeintliche Anstrengung vermeidend, damit der Dümmste uns noch versteht. Bei dieser gesellschaftlichen Aus- oder vielmehr Zurichtung von Diskussionskultur (zu der sich das Feuilleton einst zählen konnte) verwundert es nicht, wenn dann auch mal ein Ausschnitt (oder eher „Ausriß“) aus einer Winkels’schen Rezension Die wiederum Uwe Wittstock nicht von ungefähr diffarmierend ins WELT-Feld führt. von Diener als „Schwurbel“ denunziert wird. Lichtenbergs „Buch vs. Kopf“-Aphorismus gilt möglicherweise auch hier.
Und die Anforderung an Literaturkritik, sich auf Verführung um ihrer selbst willen zu reduzieren, geht in die selbe Richtung:

Weidermanns Buch ist also nicht an seiner Methodik zu messen und daran, ob diese nun richtig, falsch, poppig oder akademisch auf neuestem Stand ist. Es ist daran zu messen, ob ihm seine Intention gelingt, also ob es tatsächlich so literaturverführerisch wirkt wie der Autor es beabsichtigt hat.

Genau: Wir wollen doch alle verführt werden. Feuilleton als „Boulevardkultur“, wie Winkels es nennt. Hauptsache, wir Lesen! Irgendwas. Das Aufzeigen, Nachverfolgen, Sichtbarmachen von Zusammenhängen oder Traditionslinien stört da eher. Beim Verführtwerden. Beim „Einfach-mal-gut-finden“. Du. Dann doch lieber noch schnell bei der Lesung fragen, ob der Autor auch so gern Kaffee Latte trinkt wie sein Held.
Roman-Lesen ist wahrlich kein Wert an sich. Im Gegenteil, es kann das Hirn komplett verkleistern.Auch Heiden:reichts Hinweis auf ihre supie Zuschauerzahl („Ätsch, doofer Denis, mich gucken viel mehr!“) ist nur allerdümmstes – und jede sucht sich ein ihr angemessenes – Argument. Schließlich wird die B**D auch von mehr Leuten gelesen als die überregionalen Tageszeitungen zusammen. Und so fragt sich, was die neue Leichtigkeit im Feuilleton (und die vehemente Forderung danach) eigentlich mehr sein will als Verlags-PR mit anderen Mitteln?

Sorge um Kardinal Mei*ner

Beim Lesen einiger Fragen des sogenannten Moslem-Tests wurde mir etwas bang um den Verbleib von Kardinal Mei*ner in der BRD.

29. Stellen Sie sich vor, Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und erklärt, er sei homosexuell und möchte gerne mit einem anderen Mann zusammenleben. Wie reagieren Sie?
30. In Deutschland haben sich verschiedene Politiker öffentlich als Homosexuelle bekannt. Was halten Sie davon, dass in Deutschland Homosexuelle öffentliche Ämter bekleiden?

Ach so, der hat ja gar keinen Sohn. Und den deutschen Paß eh‘ schon – dann ist ja gut.

Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.

Nur, weil ich heute das mit Marx und dem Opium für’s Volk wieder einmal falsch zitiert hörte.Falls jemand den letzten Montalban-Roman „Requiem für einen Genießer“ gelesen hat – dort ist der Lenin („Sozialismus und Religion“) wohl auch für einen Marx verkauft worden… Sei hier aus der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung zitiert:

Für Deutschland ist die Kritik der Religion im wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik.
Die profane Existenz des Irrtums ist kompromittiert, nachdem seine himmlische oratio pro aris et focis widerlegt ist. Der Mensch, der in der phantastischen Wirklichkeit des Himmels, wo er einen Übermenschen suchte, nur den Widerschein seiner selbst gefunden hat, wird nicht mehr geneigt sein, nur den Schein seiner selbst, nur den Unmenschen zu finden, wo er seine wahre Wirklichkeit sucht und suchen muß.
Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d’honneur, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.
Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.
Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt.
Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren. Es ist zunächst die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht, nachdem die Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die Selbstentfremdung in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik.

AKüFi

In Dorothea Hahns lesenswertem Artikel über den Versuch de Villepins, in Frankreich Arbeitsverträge mit zweijähriger Probezeit für Jugendliche durchzuboxen, ist jemandem beim Abkürzungstippen wohl langweilig gewesen:

Proteste gegen zwei Jahre Probezeit
(…)
Premierminister Dominique de Villepin nennt sein Gesetz „das sozialste Projekt für junge Leute, das je vorgeschlagen wurde“. Er hat den „Contrat première embauche“ (CPE) im Januar ohne vorherige Konsultation mit Gewerkschaften und UnternehmerInnen
(…)
Die jungen Leute waren in der Mehrheit. Ihre Forderung: „Weg mit dem CEP„.
(…)
Der CEP richtet sich ausschließlich an junge Leute unter 26 Jahren.
(…)
Er argumentiert, der CPE würde zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.
(…)Jener CNEdas stimmt dann aber doch, weil es sich um einen anderen Vertrag handelt
(…)

Beckmann goes Eiserner Vorhang

Nicht, daß ich diese Blubber-Shows sehen würde. Muß ich auch nicht, schließlich gibt es ja das Feuilleton, das aufmuckt, wenn bei den Laberhänseln & -greteln mal was passiert. Und so hörte ich heute bei MDR Figaro (als Podcast hier) etwas über Bürgermeister bei Don Backman. Die Sendung wurde so angetextet:

Sendung vom Montag, 06.02.2006. Der große Bürgermeister-Gipfel
Einerseits müssen sie Volksnähe pflegen, andererseits tragen sie große Verantwortung. Deutschlands Bürgermeister balancieren zwischen Politik und Show. Erstmalig treffen sich jetzt gleich sechs Bürgermeister und Bürgermeisterinnen zum großen Städtetest!
Welche Stadt hat die höchste Kneipendichte? Welche ist Deutschlands Party-Hauptstadt? Wo leben die meisten Singles? Sind Münchener glücklicher als Hamburger? Ist Berlin schmutziger als Köln? Bei „Beckmann“ sprechen Klaus Wowereit, Ole von Beust, Christian Ude, Fritz Schramma, Petra Roth und Bärbel Dieckmann über Mentalitätsunterschiede und Konkurrenzkämpfe – und stellen sich überraschenden Testergebnissen.

Das wirklich überraschende Testergebnis dürfte dabei sein, daß Ostdeutschland nicht stattfindet. Kein Leipzig, Dresden, Halle, Rostock, Schwerin – um nur mal die eigentlich auch im Westen bekannten Städte zu nennen – nüscht. Aber vielleicht hatten die dortigen OBs auch besseres zu tun, als in so eine *?!$%&-Sendung zu kommen? Verständlich wäre es.

Z.Zt. verreist

rauchen und leben - ein anderes blogNuna, natürlich nicht. Eher im Gegenteil, ab morgen geht es wieder ins Bureau. Aber verreist insofern, daß ein Teil meiner geringen Schreibenergie vom rauchen und leben verschlungen wird…

Geht doch alles den Bach runter!

»Stirbt die Kunst?« – dieser Frage ging Kurt Tucholsky im „Vorwärts“ bereits am 27.Juni 1911 nach.Seine Verteidigung der Kunst und der von ihm nicht sog. Masse kann man z.B. in der rororo-Gesamtausgabe, Bd.1, S. 40-42 oder auf der CD-Rom der Digitalen Bibliothek nachlesen. Und diese Frage erinnert doch stark an den ständig aufkommenden Sirenenton der Kulturwächter, die bei jeder kleinen Dumpfbackensendung im TV mal wieder den Untergang des Abendlandes befürchten. Was meist ja nur bedeuten würde: Sie wären ihre Jobs los…
Tucholsky leitet ein:

»Stirbt die Kunst?« – Diese seltsame Frage ist jetzt zum zweiten Male aufgetaucht. Schon vor Jahresfrist hatte Moszkowski, der Chefredakteur der ›Lustigen Blätter‹, die Frage gestellt, in etwas unklarer Weise behandelt und schließlich bejaht. Jetzt kommt ein Berufener, um sie abermals zu stellen und abermals zu bejahen: Victor Auburtin. Auburtin, der Schöpfer eines der feinsten deutschen Prosastücke: ›Der Ambassadeur‹, veröffentlicht in einem kleinen Hefte bei A. Langen-München Ansichten, die nicht nur die kleine Gruppe der Literaten angehen. Hier wird ein Problem der Massen behandelt! Und weil er mit seinem blitzenden Schwertlein so unvorsichtig herumgefuchtelt hat – getan hat er keinem etwas – darum wollen wir die Marionette des Kritikers Auburtin (nicht des Künstlers!) auf eine kleine Bühne stellen und ihn sprechen lassen. Hoppla!

Und kommt zum Schluß:

Ich erlaube mir, Herrn Victor Auburtin auf die Existenz eines Proletariats aufmerksam zu machen.