Die Jury-Phrase beim Bachmann-Preis-Lesen ist ja: „erinnert an Thomas Bernhard“. Aber wenn die das dürfen… Jedenfalls las ich gestern einen Text und merkte, wie der mich verschlang. Furor! Haß! Verzweiflung!
21 Ich bin unschuldig! Ich möchte nicht mehr leben; ich verachte mein Leben. 22 Es ist eins, darum sage ich: Er bringt den Frommen um wie den Gottlosen. 23 Wenn seine Geißel plötzlich tötet, so spottet er über die Verzweiflung der Unschuldigen. 24 Er hat die Erde unter gottlose Hände gegeben, und das Antlitz ihrer Richter verhüllt er. Wenn nicht „er,“ wer anders sollte es tun? 25 Meine Tage sind schneller gewesen als ein Läufer; sie sind dahingeflohen und haben nichts Gutes erlebt. 26 Sie sind dahingefahren wie schnelle Schiffe, wie ein Adler herabstößt auf die Beute. 27 Wenn ich denke: Ich will meine Klage vergessen und mein Angesicht ändern und heiter bleiben, 28 so fürchte ich doch wieder alle meine Schmerzen, weil ich weiß, dass du mich nicht unschuldig sprechen wirst. 29 Ich soll ja doch schuldig sein! Warum mühe ich mich denn so vergeblich? 30 Wenn ich mich auch mit Schneewasser wüsche und reinigte meine Hände mit Lauge, 31 so wirst du mich doch eintauchen in die Grube, dass sich meine Kleider vor mir ekeln. (*)
Bei dem Stoff und der Form ist mir klar, warum auch religionsferne Autoren wie Brecht die Bibel lasen – ist eben auch Literatur.
Den ganzen Hiob gibt es z.B. hier – oder vielleicht auch im Bücherregal?
(*) In der 1984er Lutherübersetzung
Die [b]Elberfelder Rev. Übersetzung[/b] ist etwas „ältlicher“:
[i]Ich bin unschuldig! ich frage nicht nach meiner Seele, begehre keines Lebens mehr. Es ist eins, darum sage ich: Er bringt um beide, den Frommen und den Gottlosen. Wenn er anhebt zu geißeln, so dringt er alsbald zum Tod und spottet der Anfechtung der Unschuldigen. Das Land aber wird gegeben unter die Hand der Gottlosen, und der Richter Antlitz verhüllt er. Ist’s nicht also, wer anders sollte es tun? Meine Tage sind schneller gewesen denn ein Läufer; sie sind geflohen und haben nichts Gutes erlebt. Sie sind dahingefahren wie die Rohrschiffe, wie ein Adler fliegt zur Speise. Wenn ich gedenke: Ich will meiner Klage vergessen und meine Gebärde lassen fahren und mich erquicken, so fürchte ich alle meine Schmerzen, weil ich weiß, daß du mich nicht unschuldig sein lässest. Ich muß ja doch ein Gottloser sein; warum mühe ich mich denn so vergeblich? Wenn ich mich gleich mit Schneewasser wüsche und reinigte mein Hände mit Lauge, so wirst du mich doch tauchen in Kot, und so werden mir meine Kleider greulich anstehen.[/i]
Dagegen fällt die [b]“Gute Hoffnung“[/b], die durch moderne Übersetzung die Leute erreichen will, literarisch ziemlich ab:
[i] 21-22 Mir ist jetzt alles gleich, drum sprech ich’s aus, selbst wenn ich meinen Kopf dafür riskiere: Daß ich im Recht bin, hilft mir nichts bei ihm; ob schuldig oder nicht – Gott bringt mich um! 23 Wenn plötzlich eine Katastrophe kommt und Menschen ohne Schuld getötet werden, hat er für ihre Ängste nur ein Lachen. 24 Gott hat die Erde Schurken übergeben, und alle Richter hat er blind gemacht. Wenn er es nicht gewesen ist, wer dann? 25 Mein Leben eilt noch schneller als ein Läufer, nicht einer meiner Tage bringt mir Glück. 26 Wie leichte Boote gleiten sie vorbei, schnell wie der Sturz des Adlers auf die Beute. 27 Wenn ich mir sage: ‚Gib das Klagen auf, vergiß den ganzen Jammer, lach doch wieder!‘, 28 dann packt mich gleich die Angst vor neuen Qualen; ich weiß es ja, Gott spricht mich doch nicht frei. 29 Er will mich unbedingt für schuldig halten. Was hilft es, meine Unschuld zu beweisen? 30 Ich könnte mich mit reinstem Wasser waschen, die Hände könnte ich mit Lauge säubern. 31 Dann würde er mich in ein Schlammloch tauchen, so daß sich meine Kleider vor mir ekeln. 3[/i]
Irgendwie ziemlich schlaff.