Terror und die Folgen

Der heutige Stichtag (sic!):

1819
Von persönlichen Verhältnissen wäre folgendes zu sagen: Die Königin von Württemberg stirbt zu Anfang, Erbgroßherzog von Mecklenburg zu Ende des Jahrs. Staatsminister von Voigt verläßt uns den 22. März; für mich entsteht eine große Lücke, und dem Kreise meiner Tätigkeit entgeht ein mitwirkendes Prinzip. Er fühlte sich in der letzten Zeit sehr angegriffen von den unaufhaltsam wirkenden revolutionären Potenzen, und ich pries ihn deshalb selig, daß er die Ermordung Kotzebues, die am 23. März vorfiel, nicht mehr erfuhr noch durch die heftige Bewegung, welche Deutschland hierauf ergriff, ängstlich beunruhigt wurde.
Goethe, Berliner Ausgabe Bd. 16, S. 288 – gefunden in der Digitalen Bibliothek: Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka

Nicht, daß ich da Parallelen zu heute sehen würde: Nach der Ermordung Kotzebues wurden die Karlsbader Beschlüsse gefaßt.

Michael Hamburger

Und weil so ein „Welttag der Poesie“ ja nur ein mal im Jahr ist, Lyrik aber jeden Tag lesenswert sein kann, gratuliere ich doch heute einfach mal Michael Hamburger zum Geburtstag. Wer ihn nicht kennt: Die ZEIT hat im vergangenen Jahr einen Artikel zum 80. Geburtstag veröffentlicht, außerdem gibt es eine Rezension seines Bandes „Unterhaltung mit der Muse des Alters“.
Gedichte kann man z.B. hier, hier und hier lesen. Und ein ganz schönes, älteres Photo gibt es beim Österreichischen Literaturarchiv.

Welttag der Poesie

Naja, diese ganzen „Welttage“ (des Sparens, des Deutschen Butterbrotes, des was-weiß-ich) sind mir ja eher suspekt. Aber als Anlaß, auf die großartige Welt der Lyrik hinzuweisen, nehme ich den heutigen „Welttag der Poesie“ doch gern. Dank also der Unesco.
Und Dank auch Michael Gratz für seine sensationelle Lyrikzeitung mit beinah täglich aktualisierten Meldungen aus der Lyrikwelt.
Und Dank ebenso an die lyrikline, die zahlreiche DichterInnen in Wort und Ton vorstellt. Z.B. das Gedicht „Blätter und Schatten“ vom leider noch viel zu unbekannten Wolfgang Hilbig (hier von ihm selbst gelesen (rm)). Von ihm gibt es auch eine sehr schöne CD (der Link geht zur Amazone, weil der Audio-Verlag die CD merkwürdigerweise nicht auf seiner Seite verzeichnet hat).
Und wer sich noch mit dem Verständnis von Lyrik schwer tut, kann sich z.B. auf der interessanten Seite des Duisburger Dozenten Rüdiger Brandmeyer umtun – dort gibt es Theorie und Praxis der Gedichtanalyse.
Und dann packe ich doch noch mal meine kleine Arbeit über eines meiner Lieblingsgedichte von Stephan Hermlin, „Die Zeit der Wunder“, hier hin (PDF, 127 kB).
Und schließlich empfehle ich (immer wieder) gern die Lektüre von Heinz Czechowski.

Neue Enthüllungen!

Mr. Snowman ist ein Terrorist!
Nach den sensationellen Enthüllungen über Rudi Dutschke als Schreibtischtäter der R.A.F. ist jetzt auch der vermeintlich harmlose und kinderliebe Frosty Snowman als Mitglied der terroristischen Vereinigung „W.I.N.T.E.R.“ überführt worden! Besonders die Zeilen „Laßt uns noch etwas Spaß haben, bevor ich schmelze“ deuten nach Einschätzung von Fachleuten auf die Urheberschaft geplanter Verbrechen hin.
Gut, daß jetzt Frühling ist.

Angela Merkels Mund tut Wahrheit kund – jetzt auch druckreif

Die CDU – immer schon bekannt als Hort humanoiden Fortschritts. Gestern nun hat sich Angela Merkel bei ihrer Replik auf des Kanzlers Hohe Rede verplappert und die technologische Revolutionskatze für aufmerksame Zuörer aus dem Sack gelassen: Passend zur Cebit hat die CDU ein Speech-to-Text-Programm entwickelt! Was sonst sollten ihre Worte bedeuten:

Angela Merkels Mund tut Wahrheit kund - und das jetzt auch druckreif
(…) das sage ich Ihnen schwarz auf weiß!

Jetzt verstehe ich auch die Redewendung „jem. spricht druckreif“

Jubel! Toll! Schröder hat tolle Ideen!

Bevor gleich ganz Deutschland einen trinken geht (hol mir mal ’n Bier), sei doch noch schnell auf eine weitere kurze Analyse Heiner Flassbecks in der heutigen taz hingewiesen.
Wieviel zusätzliches Superhirn haben diese Leute eigentlich, daß sie meinten, mit Senkung der Unternehmenssteuern auch nur irgend etwas positiv am Arbeitsmarkt zu bewegen? Blinder Aktionismus, vor dem ein Freund von mir gerne warnt, scheint das nicht mal mehr zu sein. Mutwillig blinder , wenn nicht gar blöder trifft es wohl besser.

Kultur-Kopierer

Nein, ich halte es nicht für ein Zeichen von Blog-Kultur, per Copy&Paste komplette Zeitungs- oder Webartikel in einen Blog zu packen; ohne eigene Kommentare oder Ergänzungen ist das doch reine Fleißarbeit, die sich zuhauf im Netz findet (nämlich dort, wo sich diese „Blogger“ bedienen). Das Urheberrecht ist diesen Leuten wahrscheinlich eh wurscht, so lange sie schicke Texte klauen können, um überhaupt etwas in ihrem Blog stehen zu haben.

Kleine "Bibliothek der Lyrik"

ORF-LogoDas ORF-Radiokolleg (Mo.-Do., jew. 09.30-09.45h und Wdh. 22.35-22.50h)
(ORF-Livestream) plant eine kleine Lyrik-Bibliothek:

Radiokolleg – Nachrichten aus der Nussschale
„Etwas auf den Punkt bringen“ heißt im Englischen „to put it in a nutshell“ – Leg es in die Nussschale. Gedichte sind solche Nussschalen, wenige Worte können genügen …
In dieser Radiokolleg-Reihe sollen Lyrikerinnen und Lyriker zu Wort kommen, die in ihrem Schreiben auf die Sprachkraft des Gedichts vertrauen.

Mehr hier.

Geiz

An der Kasse des Kölnischen Kunstvereins.
Sie (Ende 20): Kostet die Führung was?
Kassa: Ja, 2 Euro.
Sie: Und wenn man Mitglied im Kunstverein ist?
Kassa: Sind Sie denn Mitglied?
Sie: Nein, aber meine Freundin, die kommt nachher.
Tja, Geiz macht erfinderisch. Oder doch einfach nur blöd?

Quäl meiner Freude

Nachdem in den Kommentaren ja schon eifrig geätzt wird, möchte ich heute und abschließend die eigenständige und uns „was bringende Leistung“ von FuF loben. Da wird einfach ein kompletter Artikel aus der Zeitschrift, deren Namen wir nicht nennen (Google-Ranking, u no), eingestellt, als gäbe es kein Urheberrecht. Und dann noch mit der flotten Bemerkung

Um nicht nur die (XXX) zu zitieren, die manche als Ausbund des Rechtsradikalismus ansehen

versehen. Was wohl kein Versehen sein dürfte.
Diese „manche“ gibt es bestimmt auch (weil: Simple Köpfe gibt es immer). Ich würde eher die Formulierung des VS NRW bevorzugen:

Die Berliner Wochenzeitung ‚Junge Freiheit‘ (JF) ist eines der wichtigsten Sprachrohre und Foren der so genannten „Neuen Rechten“. Als „Neue Rechte“ versteht man intellektuelle Strömungen, die Anhaltspunkte für den Verdacht des Rechtsextremismus bieten, und die sich in der Tradition der „Konservativen Revolution“ aus der Zeit der Weimarer Republik sehen. (…)
Die ‚Junge Freiheit‘ kennzeichnet ein grundlegender Antiliberalismus, der mit Elite-Denken, Kritik am parlamentarischen System und an der Idee der allgemeinen Menschenrechte verbunden ist. Die Zeitung vertritt einen ausgrenzenden Nationalismus, der auf den Prinzipien des so genannten „Ethnopluralismus“ beruht. Dieser sieht die räumliche, zumindest aber kulturelle Trennung ethnischer Gruppen vor. Vor diesem Hintergrund tauchen Ausländer und deutsche Staatsbürger mit Einwanderungshintergrund in der Regel als Störfaktoren auf, die die ethnische Homogenität Deutschlands bedrohen.
Die häufig distanzlose Berichterstattung über die Aktivitäten rechtsextremistischer Parteien und Organisationen bieten weitere Anhaltspunkte für den Verdacht, das eine Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die JF vorliegt.

Erstaunlich, wie sich FuF als Warner vor extremistischen Strömungen geriert, aber locker dieses Blatt mit jovialem Beisatz zitiert. Aber das Etiektt „suspekt“ muß man sich ja auch erst mal verdienen. Also Glückwunsch dazu, FuF!

Aus besonderem Anlaß

Die communis opinio substituiert die Wahrheit, faktisch, schließlich indirekt auch in manchen positivistischen Erkenntnistheorien. Über das, was wahr und was bloße Meinung, nämlich Zufall und Willkür sein soll, entscheidet nicht, wie die Ideologie es will, die Evidenz sondern die gesellschaftliche Macht, die das als bloße Willkür denunziert, was mit ihrer eigenen Willkür nicht zusammenstimmt. Die Grenze zwischen der gesunden und der pathogenen Meinung wird in praxi von der geltenden Autorität gezogen, nicht von sachlicher Einsicht.
Theodor W. Adorno: Meinung, Wahn, Gesellschaft (1963)

Schlag nach bei Rilke

In den unendlichen Weidegründen von presseportal.de fand ich heute etwas, das doch prima zum herannahenden Frühling paßt (Sie wissen schon: Die Jahreszeit, die das grüne Band der Sympathie wehen läßt). Stefan Gessulat, Chefredakteur des Männer- und Lifestylemagazins MATADOR, erklärt, warum man mit einem Liebesbrief überzeugen kann:

Der Anfang ist also gemacht, aber was schreibt man denn seiner Traumfrau?

0-Ton: 28 Sekunden Dabei darf man auch ruhig ein bisschen romantisch werden und sollte nicht zu nüchtern sein und kann zum Beispiel auch, sich Kosenamen einfallen lassen für die Angebetete. Und wenn es einen an Ideen ein bisschen mangelt, dann ist es auch absolut okay, sich bei großen Klassikern inspirieren zu lassen und mal ein paar schöne Gedichtbände zur Hand zu nehmen. Rainer Maria Rilke zum Beispiel ist ja für seine Liebesgedichte berühmt gewesen und da kann man sich bestimmt auch die eine oder andere Anregung gut holen.

Matador-Screenshot
Warum denke ich jetzt bloß an „il cornuto“?