Ein schöner Beitrag zur Haptik des Papiers

Nach einer etwas heftigen Arbeitsphase, die mich weltblind gemacht hat, genieße ich jetzt Lesen im NetNewsWire; sehr gut gefiel mir Don Alphonsos Beitrag Blogs! Buch Blog » Eine kleine Geschichte von der Haptik des Papiers:

Ich weiss nicht genau, wie hoch die in die zigtausende gehende Auflage der heutigen Nachdrucke von Tasso ist, aber in Perugia wurden damals nur 2000 Exemplare gedruckt, und davon haben vermutlich weniger als 100 überlebt. Schön finde ich das auch nicht, ich bin kein Freund vom industriell-kulturellen Niedergang, den die vergangenen zwei Jahrhunderte bei allen Verbesserungen in anderen Bereichen nach sich gezogen haben, aber so sind die Leute eben. Sie nehmen für geringere Kosten schlechtere Produkte in Kauf, und wenn sie etwas kostenlos bekommen, werden sie es nicht woanders in besserer Qualität nochmal kaufen. Eine kleine Minderheit tickt anders, aber die reichen für die aktuelle Produktion von klassischen Medien hinten und vorne nicht aus.

Daran entzündete sich auch eine kleine Diskussion.
Wahrscheinlich bin ich, was die Leidenschaft für schönes Papier und gelungene Druckerzeugnisse angeht, einfach familiär geprägt – der bei DA abgebildete „Tasso“ machte mich jedenfalls ein wenig neidisch. Und glücklich.

Sibylle Berg – wieder einmal

Ich freue mich immer auf und meist über die Texte von Sibylle Berg. Diesmal, in „Sushi geht immer“ hat sie die feine Idee, daß manche (zu) hochpreisige Wohnung von den Angebotsseiten verschwinden und auf einem Gnadenhof landen.
„Da sitzen traurige Top-Immobilien in bevorzugter Wohnlage und fühlen sich ungeliebt. Die Wohnungen trinken Roibush-Tee, das tut man heute in ihren Kreisen, schmeckt eklig, hat aber was mit Dritter Welt zu tun, und ist darum hip – und warten auf ihre Besitzer.“
(Alles lesen.)

My wonderful SPAR-Markt

Der Shop-Blogger ist einer meiner täglichen Lesestoff-Lieferanten. Björn Haste berichtet aus seinem Bremer SPAR-Markt über Neuigkeiten aus der Lebensmittelwelt (die mir als beinah ausschließlicher Bioladen-Kunde eher unbekannt ist – aber er hat auch das gesamte Zotter-Sortiment!); noch interessanter finde ich allerdings die Einblicke in die Welt hinter den Regalen. Heute ging es u.a. um Automaten-Planungen:

In ca. zwei Wochen wird mein lange herbeigesehnter Leergutautomat installiert werden. Aber es ist bei so einem Gerät ja nicht damit getan, eine freie Fläche zu schaffen, den Automaten aufzustellen und einzuschalten. Schön wär’s, aber:

weiterlesen beim Shopblogger!

BP 2007

Eigentlich wollte ich ja dieses Jahr den Bachmann-Bewerb ignorieren. Und dann hat die Sucht doch wieder gewonnen und ich schaute die Streams des ersten Tages. Was den Vorteil des FF hat. Die Lesungen: Uih, uih. Aber das war eh‘ in den vergangenen Jahren konstant abnehmend. Und wer erst einmal einen Tellkamp-Text als Sieger sah, den wird nichts mehr erschüttern.
Seit IR die Jury leitet und Jahr für Jahr durch offensive Bekenntnisse des Nichtverstehens überzeugte, wurde es zudem immer wurschtiger; und mit BSs Wegggang war für mich der letzte Grund des Schauens und Hörens entfallen. Aber die Sucht eben…
Doch was die diesjährige Jury gestern an „Meinen“ ablieferte, kam einer Selbstdemontage gleich. Da wurde nur in den wenigsten Momenten begründet, das Statement überwog. Furchtbar. Also: Selber lesen, so ein Preisschauen ist ja auch Lebenszeit (Dank für den Hinweis, Frau R.).

Buchpreisbindung ist logisch

Es ist ja nichts vor den NeoKons sicher, und so steht auch die Buchpreisbindung unter Beschuß (bzw. wurde in der Schweiz gerade abgeschossen). Weil die ja den tollen Markt behindert. Und wer einen unreguliertem Wettbewerb nicht überlebt, hat es auch nicht anders verdient. Schließlich ist das alles zum Wohle des mündigen Konsumenten!
Einen sehr interessanten Artikel für die BPB konnte man heute von Ilija Trojanow: „Bücher, gut und billig“. Neben der Angabe, daß Bücher in den USA „etwa innerhalb von nur fünf Jahren um 62 Prozent“ teurer wurden und der Tatsache, daß selbst berühmte unabhängige Buchläden wie Gotham Books geschlossen haben, zeigt er den Schwachsinn der billigeren Bestseller auf:

Die Bestseller, die populären und oft nachgefragten Titel werden tatsächlich billiger, teilweise um bis zu einem Drittel. Doch ist das wirklich positiv? Wo gibt es das sonst in unserer Wirtschaft, dass man gerade die erfolgreichsten Produkte verramscht? Wie würde ein Autohändler auf den Vorschlag reagieren, er solle den neuen Audi Quattro um 15.000 Euro heruntersetzen, weil der sich gerade so gut verkauft. Und wie wäre der Douglas-Kette begreiflich zu machen, dass sie die zehn beliebtesten Parfüms (ermittelt von der Vogue) stets mit einem Rabatt von dreißig Prozent verkaufen sollte?
Nein, in der besten aller Welten sollte genau das Gegenteil geschehen.

Lesen!

Gefühlte Freiheit

Lutz Dammbeck in einem interessanten Gespräch mit Nike Breyer in der taz, 19./20.5., tazmag S. III:

NB: Wenn ich für bare Münze nähme, was Sie sagen, dann wäre Freiheit eine Fata Morgana.
LD (lacht): Wenn Sie sich frei fühlen, ist das doch okay. Wenn Sie es wissen, haben Sie ein Problem.

Vielleicht noch die nächsten Tage lesbar.

Immer nur Romane – das geht doch nicht.

Also ist Literatur heute gleich Roman. Oder Roman ist Literatur. Und Blanchot hat ja mal irgendwo gesagt, daß der Roman vielleicht irgendwann das Ende der Literatur bedeutet; das finde ich sehr treffend, weil ja in der Tat durch diese Romanschreiberei und durch diesen Romankonsum Sprache vernichtet wird.

[Anne Duden, in „Die Arbeit muss Fragment sein. Zur Diskussion der literarischen Avantgarde“. Von Werner Köhne“, DLF, 27.4.2007]
Auch bei mir stelle ich nach der Lektüre von zahlreichen Krimis „am Stück“ einen Verschleiß an Sprachempfinden fest. Daher jetzt, zwar auch Roman, aber sprachlich anspruchsvoll, Uwe Timms „Rot“, das bei mir seit 5 Jahren im Regal stand und dessen Lesezeit nun endlich und passend gekommen ist.

Und wieder ein Jahr um: Heinz Czechowski

Heinz Czechowski
Der Lyriker, Essayist und Prosaautor Heinz Czechowski hat heute seinen 72. Geburtstag. Wieder ein Jahr vergangen. In dem seine Biographie „Die Pole der Erinnerung“ im Grupello Verlag erschien.
Grund genug, ein paar Gedichtauszüge abgetippert zu haben und allen hier Lesenden dringend die Lektüre von Lyrikbänden (insbesondere natürlich Czechowskischer) ans Herz zu legen. Und wenn Czechowski, dann auch gleich noch seine Prosabände, z.B. „Herr Neithardt geht durch die Stadt“, ein Band mit wunderbaren Städeteportraits. Das Buch ist nur noch antiqiuarisch oder aber in der schönen Ausgabe „Der Garten meines Vaters“ aus dem Grupello Verlag erhältlich, in dem auch weitere Bücher von Czechowski erschienen sind.
Heinz Czechowski - Man weiss

(aus: „Seumes Brille“, erschienen im Grupello Verlag)

"Heitere Stunden in Auschwitz"

Daß sich mit Goethe das SS-Personal unterhalten ließ, sollte nicht gegen den Autor sprechen?
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Ernst Klee weist im ZEIT-Artikel „Heitere Stunden in Auschwitz“ auf die NS-Kulturveranstaltungen hin, die im besetzten Polen für das Lagerpersonal gegeben wurden:

»Am Montag, den 15. Februar 1943, 20 Uhr«, so lautet die Ankündigung, »findet im kleinen Saal des Kameradschaftsheimes der Waffen-SS ein Abend statt unter dem Motto ›Goethe – ernst und heiter‹. […] Diese Veranstaltung bietet Gelegenheit, gerade die Volksdeutschen mit den höheren Gütern deutscher Kultur vertraut zu machen.«

Klees Buch »Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945« (736 S., 29,90 €) erscheint im Februar im Verlag S. Fischer.